Das Bild Das Abendmahl in der Santa Maria delle Grazie in Mailand, das weltberühmte Cenacolo von Leonardo, ist Gegenstand vieler falscher Legenden und vieler fehlgeleiteter Experimente gewesen. Nachdem es aufbauend auf technische Unzulänglichkeiten am Beginn durch die Jahrhunderte hindurch furchtbare Beschädigungen erlitt, durch verheerende atmosphärische Bedingungen, Vandalismus und Nachlässigkeit, am meisten aber durch ungeschickte Reparaturen, sind seine Überreste schließlich (1904-1908) auf wissenschaftlicher Grundlage so behandelt worden, dass für uns und für die Nachwelt ein großer Teil seiner Kraft wiederhergestellt worden ist.

Zur gleichen Zeit ist seine wahre Geschichte erforscht worden. Die Intensität der intellektuellen und manuellen Mittel, die Leonardo in das Werk einbrachte, zeigt sich in der Tatsache, dass er es innerhalb von vier Jahren beendete, trotz all seiner anderen Nebentätigkeiten und trotz seiner andauernden Pausen des Rückzugs und des selbstkritischen Brütens, für die wir direktes Zeugnis von Zeitgenossen haben.

Er malte das Bild auf der Wand in Tempera und nicht in Öl, wie eine Legende behauptete, die innerhalb zwanzig Jahren nach der Fertigstellung aufkam. Die Tempera-Trägersubstanz, die vielleicht neue experimentelle Bestandteile enthielt, hielt nicht lange auf dem Gipsuntergrund fest, und dieser auch nicht auf der Wand. Es kam zur Abblätterung und Schuppenbildung. Es bildeten sich harte Krusten aus Schimmel, lösten sich auf und bildeten sich aber je nach Wetterlage sowohl auf den lockeren als auch auf den festen Teilen erneut wieder aus.

Diese Prozesse gingen Jahrzehnt für Jahrzehnt weiter. Ein Regen aus winzigen Schuppen ging laut einem Augenzeugen ständig von der Oberfläche herunter, bis das Bild gänzlich zugrunde zu gehen schien. Im 18. Jahrhundert wurden erste Restaurationsversuche unternommen. Sie alle gründeten auf der falschen Annahme aus den frühen Jahren des 16. Jahrhunderts, dass das Werk in Öl ausgeführt worden sei. Demgemäß wurde es einmal mit Öl getränkt, in der Hoffnung, die Farben wiederzubeleben.

Andere Experimentierer versuchten es mit verschiedenen Geheimnissen, zum größten Teil mit schädlichen Klebstoffen und Lacken. Zum Glück wurden außer an einigen Teilen der Gewänder nicht viele der Übermalereien fertig gestellt. Die Hauptoperationen sind von Bellotti 1726, Mazza 1770 und von Barezzi 1819 und in den folgenden Jahren durchgeführt worden. Keine davon stoppte, einige beschleunigten sogar die natürlichen Auflösungserscheinungen. Dennoch hinterließ dieser Geist eines Bildes, halb aufgelöst wie es war, immer wieder einen unbeschreiblich tiefen Eindruck.

das_abendmahlLeonardos Letztes Abendmahl wurde trotz aller Beschädigungen sofort, und ist es bis heute geblieben, die typische Darstellung dieser Szene. Johann Wolfgang von Goethe hat in seiner berühmten Kritik alles darüber gesagt, was zu sagen ist. Der Maler ist von früheren Darstellungen der Szene abgewichen, indem er die Jünger mit dem Meister in der Mitte gruppierte, entlang der Längsseite und den beiden Enden eines langen, schmalen Tischs, und indem er die andere Längsseite für den Betrachter frei ließ.

Der Raum wird in einer perfekt symmetrischen Perspektive gesehen, wobei die Rückwand durch drei flache Öffnungen durchstoßen wird, die ein Gefühl für stille Distanz und Geheimnis von der offenen Landschaft dahinter vermitteln. Die zentrale und breiteste der drei Öffnungen rahmt den Kopf und die Schultern des Erlösers ein. Zu seiner Rechten und Linken sind die Jünger in gleicher Zahl angeordnet.

Die Möblierung und die Ausstattung der Kammer sind mit gewissenhafter Genauigkeit und Klarheit wiedergegeben; trotzdem überlassen sie den menschlichen und dramatischen Elementen die absolute Beherrschung der Szene. Die Gelassenheit der heiligen Gesellschaft ist innerhalb eines Augenblicks durch die Worte ihres Meisters unterbrochen worden, “Einer von euch wird mich verraten”. Im Aufruhr ihrer Gefühle haben die Jünger Gruppen entlang des Tischs gebildet, die aus jeweils drei Jüngern bestehen, wobei jede Gruppe harmonisch durch eine natürliche Handlung mit der nächsten verkettet ist.

Wenn Leonardo auch kein spezieller Student der Griechen war, hat er doch perfekt das griechische Prinzip der ausdrucksvollen Vielfalt durch eine allgemeine Symmetrie untergeordnete Einzelheiten ausgeführt. Er hat all sein erworbenes Wissen über Perspektive ausgenutzt, um eine fast vollständige Illusion für das Auge zu schaffen, aber eine Illusion, die in sich nichts triviales hat, und die durch die Erhöhung unseres Sinns für die materielle Realität der Szene nur ihren tiefen spirituellen Eindruck erhöht.

Von den authentischen Vorstudien für das Werk sind nur wenige überliefert. Im Louvre gibt es ein Blatt, das aus einer Zeit lange vor der ersten Idee oder dem Auftrag für dieses spezielle Bild stammt, und das einige Skizzen für die Anordnung des Themas enthält; ein späteres und weiter fortgeschrittenes, aber wahrscheinlich auch vor den eigentlichen Auftrag zu datierendes befindet sich in Venedig; und eine Manuskriptseite von großem Interesse im Victoria and Albert Museum, auf der der Maler schriftlich die dramatischen Motive notiert hat, die zu den jeweiligen Jüngern passen. In Windsor und Mailand sind einige fertig gestellte Studien in roter Kreide für die Köpfe. Eine hoch angesehene Reihe von lebensgroßen Kreidezeichnungen der gleichen Köpfe, von denen der größere Teil sich in Weimar befindet, besteht aus früheren Kopien und ist interessant, obwohl sie nicht als original gelten kann. Kaum weniger zweifelhaft ist die gefeierte unvollendete und beschädigte Studie des Kopfs Christi im Brera, Mailand.
Neben dem christlichem Thema verbirgt sich noch eine astrologische/ astronomische Darstellung in diesem Bild. Die Apostel stellen die einzelenen Symbole des Tierkreiszeichen dar. Der Apostel links außen verkörpert das Sternzeichen Fische. In der mittelalterlichen Medizin wurden den Füßen das Sternzeichen Fische zu geschrieben und der linke Apostel ist der einzige, dessen Füße man klar erkennen kann. Das bedeutet also, das man von rechts nach links die Sternbilder ablesen kann, die von der Sonne einmal im Jahr durchlaufen werden.(Übrigens nimmt man an, dass der zweite Apostel von rechts Leonardo da Vinci höchst selbst darstellt, der ja bekanntlich im Sternzeichen Stier geboren wurde. Zudem war er Linkshänder und schrieb wahrscheinlich aus Gründen der Sauberkeit in Spiegelschrift. Aus diesem Grund muss man, meiner Meinung nach, das Bild von rechts nach links betrachten.) Zudem bilden die Apostel Dreiergruppen, welche die einzelnen Jahreszeiten markieren. Auffällig dabei ist die dritte Gruppe mit Johannes, Judas und Petrus (Waage,Skorpion und Schütze). Zwischen Judas und Petrus tritt eine Hand mit einem Messer in Erscheinung, die auf Grund der Körperhaltung von Johannes und Petrus weder der einen noch der anderen Person zugeordnet werden kann. Diese Hand stellt das 13. Sternenbild, den Schlangenträger dar. Die Betonung liegt hier auf Sternenbild, das heißt auf dem astronomischen Begriff. Das Fehlen des Zeichens im astrologischem Tierkreis wird mit der geringen Leuchtkraft seiner Sterne begründet.

Eine weitere Theorie ist, dass die Figur rechts neben Jesus Maria Magdalena darstellt. Sie hat eindeutig weichere Gesichtszüge, zartere, gefaltete Hände, und auf größeren Abbildungen des Gemäldes ist auch ein leichter Brustansatz zu erkennen. Desweiteren sind Jesus und Maria Magdalena komplett komplementär gekleidet, d.h. Jesus trägt ein rotes Untergewand und einen blauen Mantel und Maria Magdalena ein blaues Untergewand und ein roten Mantel. Kompositorisch betrachtet bildet sich der Buchstabe “M” zwischen den beiden Figuren, was erstens als Matrimonium ( lateinisch fuer “Ehe”) oder zweitens, als “Maria Magdalena” gedeutet werden kann. Außerdem kann man erkennen, dass Petrus, der von jeher als Widersacher Maria Magdalenas galt, sie in dem Gemälde praktisch “einen Kopf kuerzer macht”, indem seine ausgestreckte Hand genau auf der Höhe ihres Halses verläuft. Diese Theorien wurden von der Kirche immer abgelehnt, weil sie davon ausgeht, dass Maria Magdalena eine Hure und nicht die Frau Jesus’ war, worauf obere Theorien beruhen.